SUPERSUIT : TAG 3 BALKANTEPPICH
Balkan Teppich wird bald der Vergangenheit angehören, grelle Aufdrucke verkünden unmissverständlich: Wir sperren zu! 50 % auf Alles!
Das Haus hat einen neuen Besitzer, hören wir, die Miete wurde angehoben. Nach 11 Jahren ist Schluss. Eine Neuauflage woanders ist nicht angedacht, zumindest jetzt nicht, und vermutlich überhaupt nicht. In zwei Monaten werden die Räume zurückgegeben.
Ich stelle mich vor, meine Aktion. Aha, ein Künstler. Überraschung, Lachen. Der weisse Anzug scheint hier mehr zu kommunizieren, enthält einen Code, der mir nicht ganz klar ist. Rundherum Teppiche in allen Farben, die nun, mit den billigen Preisen reissenden Absatz finden. Conny, die Fotografin fragt, welche Kunden denn hier kaufen, und was ihren Geschmack ausmacht. „Es sind Menschen, die sich auf osmanische Kultur beziehen“, meint einer der Verkäufer. „Griechen und Türken haben im osmanischen Reich 300 Jahre zusammengelebt, natürlich haben alle ihre Eigenheiten, aber das hat doch auch einen gemeinsamen Geschmack wachsen lassen“. Nach dieser Kurzeinweisung in Geschichte und Kultur sprechen wir mit der Chefin.
Es ist kein Problem, wenn ich draussen was mache, obwohl, was werden denn die Leute sagen? zweifelt sie doch kurz wir können sie aber beruhigen indem wir erklären, dass wir den Raum schon andernorts aufgebaut haben – ohne Probleme. Ich erhalte auch die Zusage, mich an eine aufmontierte Leiste anzuklemmen, an der einige Teppiche als Aussenwerbung angebracht sind . Angesichts der ständig aufkommenden, heftigen Böen ist das wichtig für das Gelingen der Aktion. Ich hätte keine Chance gegen den Wind ohne Fixpunkte. In den letzten Tagen habe ich daher parasitäre Strategien entwickelt, den zu temporärer Architektur aufgefalteten Anzug an vorhandene Strukturen angedockt.
Eben tue ich das wieder, als neugierig zwei der Angestellten kommen, nachfragen und nachsehen, ob alles ok ist. Sie wollen genauer wissen, was es denn mit dem Raum auf sich habe. Es gehe nicht nur um den Raum an sich, erkläre ich, es sei immer auch der Kommunikationsraum gemeint und ich füge hinzu, dass ich alleine nur bedingt fähig sei, den Raum überhaupt aufzuspannen. Sie bieten augenblicklich ihre Hilfe an. Schrauben die Stangen in einer Geschwindigkeit zusammen, von der ich nur träumen kann. Im Handumdrehen stehe ich an der Hausecke, vor mir der Teppich, den sie ebenfalls für mich ausgerollt haben. Sofort wird ein Smartphone gezückt, ein Gruppenfoto gemacht, welches gleich auf Facebook geposted wird. Auch die Chefin lässt sich überreden, und stellt sich dazu.
Eine lebhafte Strasse, internationales Flair, Menschen verschiedenster Herkunft passieren, bleiben kurz stehen oder drehen sich zumindest um. Ich stelle mich auf den Wind ein, experimentiere mit langen Stangen, es fühlt sich ein wenig wie surfen oder segeln an. Es ist ein nicht ganz spektakuläres Spektakel, versuche ich mich in einer Beschreibung meines Tuns. Es spielt mit Politiken der Aufmerksamkeit, allerdings entzieht es sich dieser Dynamik durch seine Dauer und die Tatsache, dass sich das Spektakel, wenn es denn eines wäre nur über die Partizipation derer die es erwarten produziert. Dem kommt die Hybridität des Unterfangens zugute; ich performe, ein Teil dieser Performance ist die reale Aktion des Aufrechthaltens und Stützens der Stoff- und Stangenstruktur, ich performe als Teil der Architektur. Wir produzieren einen weissen Fleck, eine kurze Unterbrechung in der Stadtlandschaft, eine Differenz zum Alltäglichen, die sich deutlich wahrnehmen lässt, allerdings die Möglichkeit bietet, sich hineinzuversetzen oder sich direkt darauf zu beziehen.
„Wirst du losfliegen irgendwann mit dem Teil ?“, eine Frau ist stehengeblieben. „ Du würdest Dich gut machen irgendwo am Strand in Spanien, darauf hinweisen, dass was los ist.“ Sie erklärt, dass sie mal hier gewohnt hat, eine Freundin besucht.
Einige BMW´s später erscheint langsam ein Kopftuch, Augen, die vorsichtig blicken, ein schwarzgekeideter Körper, Überraschung im Blick, ein Lächeln, das die Gewissheit, ertappt worden zu sein ausstrahlt und mit Tuch, Gesicht und Körper sich schnell wieder zurückzieht aus meinem Blickfeld. Der Kellner in der roten Schürze vom gegenüberliegenden Cafe Zero kontrolliert seine Neugierde, über den Zeitraum einer Stunde nähert er sich immer ein paar Schritte mehr, ohne jedoch jemals seinen Gehsteig zu überschreiten, der die Grenze dessen, was noch als beiläufig durchgehen könnte markiert.
Ein Auto parkiert schwungvoll. Der Lenker, steigt aus, bleibt aufmerksam stehen, fragt, was das sein soll und quittiert meine Antwort mit einer knappen Wiederholung. „ Ein Raum also , aha, ok.“ Er kauft bei Teppich Balkan ein Messerset und einen darauf abgestimmten Holzblock, den er in seiner Küche aufstellen möchte.
Anfängliche Licht- und Schattenspiele, werden durch zunehmend dichtere und dunklere Wolken abgelöst. Verinzelte Tropfen verdichten sich zu einem Dauerregen, die Strasse leert sich von Menschen. Das bewegt mich, die Aktion eine halbe Stunde früher als geplant abzubrechen und mit dem Abbau zu beginnen. Zum Schluss rolle ich den Teppich ein. Er hinterlässt ein hellgraues Rechteck im Kontrast zum schwarz glänzenden, umgebenden, bereits nassen Asphalt, das sich nun langsam aber stetig angleicht.
„Bist Du fertig?“ fragt die Chefin und zieht ein breites Klebeband um den eingerollten Teppich. Darauf will sie unvermittelt wissen: „ Hast Du ein Auto“, und als ich verneine, meint sie; „dann klebe ich dir einen Griff, damit du ihn besser tragen kannst.“