SUPERSUIT : TAG 2 WODKATITTEN
Vier, fünf Leute sitzen um den Tisch, blicken neugierig. Ich spreche sie direkt an, frage, ob sie Lust hätten, mit mir einen Raum aus dem Suit aufzubauen. Sie winken ab, lachen, einer meint, ob ich so was wie eine transportable Riesenfledermaus mit mir führe. „Einen auffaltbaren Raum.“ antworte ich. „Ein Raum – und was ist drin?“ „Nichts“, sage ich. „Ein Raum um Nichts herum?“ Eine der Frauen komentiert mein Erscheinen mit der Frage, ob ich hier gleich losfliegen werde. Sie stelle sich das so vor. Währenddessen nähert sich eine zweite. Sie blickt mir direkt in die Augen, senkt die Stimme und fragt verschwörerisch, ob ich sie und ihre Kumpels auf einen Wodka einlade im Lokal gegenüber – ein Wodka koste 2 Euro. „Leider Nein, aber guter Versuch“ sage ich grinsend. Ob es sie störe, wenn ich den einen Tisch besetze, will ich wissen. „Schon ok“, nicken alle Versammelten grosszügig, einige brechen auf. „Du schaust aus wie einer aus Clockwork Orange!“ bekomme ich zu hören, „einer von den Guten oder den Bösen?“, möchte ich wissen. „Natürlich einer von den Bösen,“ kommt prompt die Antwort, „das wäre ja sonst langweilig“. Wir lachen alle. Ich beginne, Stangen zusammenzuschrauben, das Wetter verdüstert sich. Conny fotografiert, die anfängliche Foto – Scheu der nun schnell auf drei Personen schrumpfenden Gruppe legt sich. So etwas wie eine Normalität der Begegnung spielt sich ein, wird jedoch plötzlich von einem tosenden Wolkenbruch beendet, der alle fluchtartig unter das Blätterdach eines mächtigen Baumes in der Nähe treibt. Ich baue weiter auf. Einer, ein Bursche, kommt zurück und bietet mir seine Hilfe an. Im strömenden Regen fädeln wir gemeinsam die Metallstange in die Laschen ein, alleine hätte ich es nicht geschafft. „Du bist also ein Superhero“, sagt er, „finde ich cool. Ich helfe Dir, stelle mich daneben und spiele Robin, das gefällt mir“. Später tauschen wir Namen aus, er heisst Manuel und wir werden beide völlig durchnässt.
„Findest du das denn nicht zu weiss?“, meint sie und steht leicht schwankend vor mir. „Erst hab ich geglaubt du fliegst los mit dem Gerät, dann hätte ich mir so ein Banner erwartet, ein Osterbanner oder irgendein Banner, mit einer politischen Aufschrift, willst Du da nicht was draufsprühen? Eigentlich sollte man da doch was draufspühen, findest Du das nicht viel zu weiss? Was Politisches! Ich hab immer SPÖ wählen müssen, wegen meiner Mutter, die hätte mir das echt übel genommen, hätte ich es nicht gemacht. Sie ist eine Funktionärin.“ –„Was hättest Du denn gewählt, wenn Du hättest wählen können wie Du gewollt hättest“? frage ich nach. „ Grün“, beinahe bricht das aus ihr hervor, „ich hätte die Grünen gewählt, immer!“ und Hoffnung ist in ihrer Stimme.
Als ich zum ersten Mal geflogen bin, als 15 jähriges Mädchen, nach Bulgarien, ich erinnere mich genau, da hat mir die Stewardess Zuckerln gegeben zum Kauen, gegen den Überdruck in den Ohren, ich habe totale Schmerzen gehabt in den Ohren. Die war süss, das hats nicht mehr gegeben später, ich bin einmal noch nach Griechenland geflogen mit Auda Lär, oh das sag ich immer falsch, ich hab da was damit, also mit, wie heisst er denn?… Jetzt hab ich´s, mit Lauda. Mit dem Lauda, mit Auda Lär, ich mein Lauda Air, da war nichts dergleichen.
Sie hält mir ihre Flasche vors Gesicht, eine transparente Halbliter -Plasticflasche ohne Etikett mit einer rötlichen Flüssigkeit drin. „Ich trinke Wodka“, sagt sie mit schwerer Zunge, „meine Mischung: Wodka, etwas Saft und etwas, aber wenig,“ sie macht eine Pause und fügt dann hinzu: „Wasser“.
„Damit hab ich vor zwei Jahren angefangen, immer nach dem Sharly Cheen, -„Charly Sheen, meinst Du?“ – Ja immer nach dem Charly Sheen, das kam ja täglich, 20 Minuten, 8 Minuten Werbung, und zum Schluss eine Wodka Werbung, da habe ich angefangen. Wodkatitte! Das heisst Wodkatitte. Ein Junge hats zum ersten mal gesagt, der war erst acht, „Wodkatitte“. Jetzt ist es mein Übername geworden, alle nenne mich hier „Wodkatitte“.
Wir trinken alle ganz gern und wir treffen uns hier, wir, das sind etwa 20, Hunde, ja viele Hunde, Männer und,“ wieder eine Pause , „wenige Frauen. Wodkatitten, keine echten Titten. Den Frauen passiert hier nichts, was sie nicht wollen, die werden nicht ausgegriffen. Wir habens ok miteinander, wenn das Wetter schön ist, dann kommen viele. Wir wohnen hier in der Nähe. Da drüben konnten wir zur Bank, Geld holen oder nachschauen, ob noch eins da ist, aber die Bank ist weg, vor zwei Monaten, einfach weg. jetzt müssen wir weiter gehen, viel zu weit, Bank Austria war das.“
Zwischendurch Sonne, Passanten blicken von der Bushaltestelle herüber, eine ältere Frau mit östlich klingendem Dialekt fragt mich, was das sein soll. „Ein Raum?, eine Architektur? Eine Kunstaktion?, verstehe ich alles nicht“. Sie lacht , ein Bus kommt und sie läuft um ihn zu erwischen.
Regennasser Staub hat meine Hosen verschmutzt. Ich stehe. Links und rechts des Margaretengürtels rauscht der Verkehr, manchmal, wenn sie bei rot an der nahen Kreuzung stehen, treffen mich die Blicke der Lenker. „Möbelhaus“ steht auf der Front des Hauses schräg gegenüber geschrieben, in dem sich unten das „Café Industrie“ befindet. Die Tür steht offen und ein Mann sitzt an der Bar.
Ich hole Metallstangen aus dem Köcher, dehne und variiere meinen Raum, halte drei, vier , fünf Stangen in einer Hand. „Erinnert an Rebecca Horn „ sage ich zu Conny. „Ja, Bodyextensions“ antowortet sie und macht noch ein paar Fotos bevor sie gehen muss.
Ich stehe und denke an einen Kommentar, den ich gelesen habe zu einer neuen TV-Show, „die unteren 10´000“, und dass der Kommentator im Glauben, Satire von sich zu geben, sich über eine schwächere Frau lustig machte. Keine Satire hier, einfach eine Form von Alltag. Ein Alltag, in den ich mit meinem Supersuit eigentlich nicht hineinpasse, der mich aber trotzdem akzeptiert . Der Himmel verdüstert sich wieder. „Jetzt sehen wir, dass das ernst zu nehmen ist“, sagen die Trinkenden, die kurz ihren Unterschlupf unter dem Baum verlassen haben und nun auf meinen Raum zeigen. „Absolut ernst zu nehmen“, fügen sie hinzu und nicken.
Etwas später baue ich ab, schwere Tropfen beginnen zu fallen. Jemand kommt und hilft mir beim Auseinanderschrauben der letzten Stangen. Dann nähert sich ein Mann mit Rossschwanz und einer Bierdose in der Hand. „Wann kommt das ins Fernsehen?“, fragt er. „Vielleicht gar nicht“ antworte ich. „Beim Video, kann man doch Sachen nachträglich hineintun“, meint er,“Komm doch einmal her ohne den Anzug oder Raum, so um die Mittagszeit, dann bleib ein paar Stunden und lass heimlich eine Kamera laufen. Das montierst Du dann hinein in dein Video, und ich sag dir, das kannst du verkaufen. Teuer verkaufen“.