REFLEXIONEN ZU EINEM SELBSTVERSUCH-BLIND MOVES
Reflektionen zu einem Selbstversuch: Das Studioprojekt ‚BLIND moves in time.space‘ von Barbara Eichhorn und Daniel Aschwanden
von Christina Buck
Der Tag im nadaLokal (Wien) im Format ‚BLIND moves in time.space‘ lässt sich als eine Reise in den Raum beschreiben und als ein vorsichtiges Ertasten und Ausloten von Bewegungsmöglichkeiten. Das klingt merkwürdig, denn wir bewegen uns ja ständig in Räumen. Der Bezug zu einer Umgebung ist quasi ein Grunddispositiv unserer Existenz. Jedoch findet die somatische Auseinandersetzung mit diesem umgebenden Raum vor allem in den performativen Künsten statt. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promotionsstudentin verbringe ich die meiste Zeit meines Alltags vor Bildschirmen und Texten, also sitzend. Jedes Zeitalter vermittelt seine eigenen Körperkonzepte. War es bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts und auch noch darüber hinaus ein vor allem ideologisch zugerichteter und militärisch disziplinierter Körper, so sind es heute wahrscheinlich die vor Monitoren kauernden und über Tablets gebeugten Leiber, die nicht nur unser soziales Bild vom Körper prägen, sondern auch das Wissen vom und das Gefühl für den eigenen Leib vermitteln. Ich gehe davon aus, dass durch diese täglichen Erfahrungen – die sich im digitalen Zeitalter hauptsächlich im zweidimensionalen oder virtuellen Raum abspielen – Wahrnehmung und Denken ‚vorstrukturiert‘ werden. ‚Blind moves‘ ermöglichte mir zumindest zeitweise eine Überwindung dieser Prägung. Es fand eine performative Auseinandersetzung mit dem Zeichnen unter der Anleitung der bildenden Künstlerin Barbara Eichhorn und gleichzeitig unter dem choreografischen Blickwinkel des Tänzers Daniel Aschwanden statt. Hier vollzog sich für mich eine Übersetzung jener auf die Fläche notierten Gesten in den dreidimensionalen Raum. Anhaltspunkte für Bewegungen im Raum gaben Strukturen und Materialien. Sie waren zunächst haptischer und visueller Natur. Die Notationen, die zuvor beim Zeichnen mit verschlossenen Augen an der Wand entstanden waren, ließen sich als visuelles Bild einer Bewegungspartitur lesen. Sie stellten den nötigen ‚Kontakt‘ für diejenigen Teilnehmer*innen her, für die es eine neue Erfahrung war den Raum mit den eigenen Bewegungen zu verändern und zu ‚formatieren‘. Der umgebende Raum konnte in mehreren Erprobungsphasen auf unterschiedliche Arten erforscht werden: Blind im Kontakt mit der Wand, durch die Haptik des Zeichenstifts auf Papier, mittels intuitiver Bewegung im Raum und durch das visuell erfassbare Bewegungsbild. Entsprechungen zwischen Körper und Raum kamen außerdem über Rhythmus zustande – akustisch durch die produzierten und eingespielten Zeichengeräusche und körperlich durch die Bewegungsabläufe der anderen ‚Spieler‘ im Raum. Der Körper wurde schließlich selbst zum Instrument, mit dem Wissen und Erfahrungen von Raumstrukturen, Rhythmen, Interaktionen und anderen Körpern in den Raum gezeichnet werden konnten. Erstaunlich waren für mich jedoch vor allem die Reaktionen des teilnehmenden Publikums bei der Performance am Abend. Das Verständnis für die Vorgänge und die Praxis, die wir selbst über einen ganzen Tag hinweg und kollektiv in der Gruppe erarbeitet hatten, vermittelte sich bereits im Zuschauen sehr präzise.